Jesus ist allein auf dem Berg und betet (Mt 14, 22 – 23). Seine Jünger hat er im Boot vorausgeschickt an das andere Ufer. So sind sie auf dem Weg in ihrem Gefährt, von einer Welt in die andere. Dabei sind sie umgeben vom Wasser, von der Zeit, von der Vielfältigkeit dieser Welt, in der man immer nur das sehen kann, was direkt vor einem ist. Es fehlt die Helligkeit, der Durchblick in dieser Wasserwelt, in der wir leben.
Nun kommt Jesus vom Berg herab. Berge erheben sich da, wo Dinge von großer Kraft geschehen sind. Jesus kommt zu seinen Jüngern zur Zeit der letzten Nachtwache. Weinreb erzählt über die letzte Nachtwache (bei den Israeliten sind es drei Nachtwachen), dass im Menschen immer der Priester da ist, der wacht und ruft: „Wie weit ist es in der Nacht?“ Es ist das im Menschen, das sich nach dem Tag sehnt, nach Helligkeit. Es ist die schwärzeste Stunde, aber der Morgen bricht schon an: Etwas Neues bricht durch – Kunde einer neuen Welt. Der Mensch weiß es noch nicht, aber die Morgenröte ist da.
Jesus läuft über das Wasser, er hat Kontakt mit unserer Nachtwelt, unserer Wasserwelt, aber er geht nicht darin auf, er geht nicht darin unter. Das können die Jünger nicht verstehen, sie schreien vor Entsetzen, sie haben Angst. Nur Petrus traut sich, er läuft Jesus über das Wasser entgegen, bis er einen starken Wind wahrnimmt. Wind, Ruach, Bewegung – wir werden hierhin und dorthin geworfen. Das macht Angst. Darum klammern wir uns an die vielfältigen Dinge der Welt und ertrinken dann in der Zeit, in der Zerstreuung, in den vielen vereinzelten Handlungen. Jesus fischt Petrus aus der Wasserwelt, der Nachtwelt heraus.
Wenn der Morgen anbricht, bedeutet es im Menschen: es ist gut.
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